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Kaldi statt Aldi

Spaghetti, Olivenöl, Reis und Erdnussbutter kann man seit Jahrzehnten in jedem deutschen Supermarkt erstehen. Wer etwas exotischer kochen will, geht in ein Spezialitätengeschöft: Kafirlimettenblätter, Paneer, Yakiniku-Soße? Im REWE sucht man danach vermutlich vergebens. Aber in jeder größeren Stadt findet sich das Gesuchte in mehr oder weniger unscheinbaren Geschäften, die asiatische, indische, afrikanische oder sonstige Importe führen. Hauptkunden sind dort oft die Zugezogenen, deren Gaumen Heimweh verspüren.

In Japan ist das nicht anders. Nur dass sich das Sortiment natürlich verschiebt. Die großen japanischen Supermärkte haben ganze Abteilungen für Sojasoße und Reis. Aber Vanillezucker, Käse mit Käsegeschmack oder gar Sauerkraut bekommt man ausschließlich im Feinkostgeschäft. Wenn wir Gastarbeiter also ab und zu mal einen kulinarischen Heimaturlaub brauchen, pilgern wir dorthin.

Glücklicherweise sind diese Spezialitätengeschäfte – wie fast alle Läden und Restaurants in Japan – in Ketten organisiert. Der prominenteste Vertreter, die Kaldi Coffee Farm hat gleich zwei Filialen in Laufreichweite unserer Wohnung.

Auf seiner Internetseite spricht das Unternehmen von einer „Schatzsuche in der Seitengasse“. Das ist gleichermaßen treffende Selbstbeschreibung wie unverschämter Euphemismus. Denn tatsächlich kann man im Kaldi regelmäßig wahre Schätze entdecken. Eine gezielte Suche wird jedoch durch die vorherrschende Chaos-Sortierung maximal erschwert.

Ein 100 qm Laden, in dem man sich verkaufen kann. Dem Chaosprinzip sei Dank.

Es scheint, als würden neu eintreffende Waren stets einfach dort deponiert, wo gerade am meisten Platz ist – und das ist in Japan in der Regel nicht viel. Und so zwänge ich mich zwischen Kettle Chips und Kellogs durch, um vielleicht doch noch ein Glas Nutella zu entdecken.

„Nutella, leider aus, sumimasen“, entgegnet kurz darauf eine emsige Angestellte, die gerade die Spreewaldgurken zielsicher zwischen Butterkeksen und Balsamico verstaut.

‚Doch schau‘, merkt da schon das eigene Belohnungszentrum an, ‚siehst du nicht den Christstollen dort? Direkt neben dem Pilsener?‘

Auch bei erfolgloser Suche bleibt der Einkaufskorb also eigentlich nie ganz leer. Das ist ein sicherlich nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt des Chaosprinzips.

Feinkostkühlregal trifft Wühltisch

Eigentlich bin ich heute aber für etwas anderes da. In einer Disziplin ist der Kaldi nämlich ebenso zuverlässig wie unverzichtbar: Es gibt diverse Sorten Kaffee, den die Japaner zwar sehr gerne trinken, aber nicht unbedingt zu Hause zubereiten.

Karin hatte auf ihren ersten Streifzügen im Mai einige kleinere Röstereien mit Angeboten um die 100 Euro je kg entdeckt. Beim Kaldi ist der Espresso glücklicherweise etwas erschwinglicher. Und wenn bei der Kommunikation an der Kasse alles glatt geht, erhält man ihn sogar in Bohnenform.

„Esupuresso yon hiyaku kudasai.“
‘Ach guck mal, Pfeffersalami. Und Choco Crossies!? Die gibts ja nicht mal mehr in Deutschland, oder?‘, denke ich erstaunt, bevor mich die Kassiererin mit einem Schwall Japanisch aus den Kindheitserinnerungen holt.
„Sumimasen? Äh… hai!“, bejahe ich, was sicherlich die Frage war, ob ich Wurst und Schokolade auch noch kaufen möchte.

Bei der Suche nach der Kundenkarte schreckt mich ein Geräusch auf. Aber es ist schon zu spät. Meine Espressobohnen rieseln in grober Schrotung aus der Mühle hinter dem Tresen. Also gibt es nächste Woche French Press statt Siebträgerkaffee. Dazu servieren wir Choco Crossies.

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