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Bergfest anno ‘5

Jesus wird geboren. Jesus stirbt. Jesus lebt doch wieder. Jesus fährt zum Himmel… Wenn man ehrlich ist, sind unsere deutschen Feiertage ziemlich monothematisch – und haben dazu noch die Säkularisation erstaunlich gut überlebt. Dass es auch anders geht, zeigen die Japaner.

Es ist der 11. August. Gestern Abend waren wir in der Tokyo Comedy Bar, der einzigen Stand-Up Bühne Japans. Dazu gab es Craft-Biere von unterschiedlicher Qualität. Die Nachwehen spüre ich noch. Oder sind es die letzten Ausläufer eines sommerlichen Männerschnupfens? Egal. Heute kann ich es jedenfalls ruhig angehen lassen. Denn es ist einer der 16 gesetzlichen Feiertage, der „Tag der Berge“.

Feiertage als Empfehlung

Der gilt übrigens nicht für Alle. In Deutschland werden die Feiertage bekanntlich regional geregelt (Grüße gehen an alle Augsburger und ihr Friedensfest). In Japan verläuft die Grenze hingegen am Werkstor. Karin muss heute arbeiten – ohne dass mir bislang jemand schlüssig erklären konnte warum.

Auf Rückfragen murmeln die Kollegen dazu nur etwas von einem ominösen „Toyota-Kalender“, nach dem sich manche Firmen richten. Angesichts von nur zwölf Urlaubstagen, die mir im ersten Beschäftigungsjahr zustehen, ist es natürlich äußerst unpraktisch, wenn man als Ehepaar nicht einmal auf gemeinsame Feiertage zurückgreifen kann.

Dafür sind die Bedeutungen der Feiertage wie eingangs angedeutet sehr vielseitig. So sehr, dass ich sie hier nun einmal vorgestelle:

Die japanischen Feiertage

1. Januar: Neujahr

Same procedure as every year, James! Trotz des historisch starken chinesischen Einflusses feiern die Japaner das neue Jahr nach dem gregorianischen Kalender am 1. Januar. Allerdings eher ruhig und im Kreise der Familie. Feuerwerk – geschweige denn von betrunkenen Amateuren abgefeuert – ist hier undenkbar.

Dichtes Gedränge auf der Aussichtsplattform des Tokyo Sky Tree
Ergebnis unserer investigativen Recherche: Am Neujahrstag den 634 m hohen Tokyo Sky Tree zu besichtigen, ist eine ganz dumme Idee.

Zweiter Montag im Januar: Tag der Volljährigkeit

An diesem Tag ziehen sich nahezu alle jungen Japaner(innen), die in diesem Jahr 20 Jahre alt werden, einen Kimono an, treffen sich vor dem Rathaus und feiern den Eintritt ins Erwachsenenleben.

11. Februar: Tag der Staatsgründung

Der Nationalfeiertag. Mehr muss man dazu nicht erklären. In diesem Jahr fiel er auf einen Samstag und wurde – wenn ich mich richtig erinnere – auch nicht mit einem späteren freien Tag kompensiert. Pech gehabt.

23. Februar: Kaisergeburtstag

Neben den Tag der Staatsgründung ist auch der Geburtstag des jeweils aktuellen Kaisers in Japan ein Feiertag. Seit 2020 ist dies der 23. Februar.

21. März: Frühlingsanfang

Der Frühlingsanfang wird bei Erreichen der Tag- und Nacht-Gleiche gefeiert. Diese fällt oft auch ziemlich genau mit der Kirschblüte (in Tokyo) zusammen, die jährlich große Feierlichkeiten auslöst. Gut, wenn man da einen zusätzlichen Tag zum Auskatern hat.

Kirschblüten auf der Izu-Halbinsel

29. April: Showa-Gedenktag

Genau genommen ist der 29. April ein weiterer Kaisergeburtstag im Feiertagskalender. Nach dem Tod von Kaiser Hirohito wurde dessen Geburtstag nämlich kurzerhand dauerhaft zum Gedenktag an seine Regentschaft, die Showa-Zeit erklärt.

Wir sind mittlerweile schon mitten in der goldenen Woche mit einem Feiertags-Triple:

3. Mai: Verfassungsgedenktag

Wer heutzutage ein wenig durch die Zeitung blättert, weiß: Eine vernünftige Verfassung, an die sich alle halten, ist ein Glücksfall. Das kann man schon mal mit einem freien Tag abfeiern.

4. Mai: Tag des Grüns

Dieser Feiertag erinnert an die Naturverbundenheit des Kaisers Hirohito. Ja genau, der schon wieder. Der Mann hat die Japaner so sehr berührt, dass sie ihm zwei Feiertage gewidmet haben.

Blick vom Hiyoshi Park auf Musashi-Kosugi
Tokyo ist nicht besonders grün. Aber hier und da findet man eine kleine Oase.

5. Mai: Tag der Kinder

Eigentlich haben sich die geburtenarmen Japaner diesen Feiertag nicht so richtig verdient. Aber das dürfen sie natürlich selbst entscheiden.

3. Montag im Juli: Tag des Meeres

Ein richtiges Inselvolk widmet natürlich auch dem Meer einen eigenen Feiertag. Und legt ihn clevererweise auch so, dass wirklich überall Badewetter ist.

11. August: Tag der Berge

Die logische Konsequenz des Meeres-Feiertags ist seit 2016 der Tag der Berge. An diesem Tag sollen die Japaner den Bergen „näher kommen“ und ihnen danken.

3. Montag im September: Tag der Alten

Auch das war nach dem Kindertag im Mai irgendwie absehbar, oder? Die Japaner, deren Lebenserwartung die höchste aller Flächenstaaten ist, feiern sich damit natürlich auch selbst.

22. September: Herbstanfang

Die Japaner sind äußerst begeistert von der Tatsache, dass es in ihrem Land vier Jahreszeiten gibt. Zumindest erzählen sie oft und gerne davon – und feiern auch den Herbstanfang mit einem eigenen Tag. Zu Recht, denn ab Mitte September kann man es so langsam wieder ohne Klimaanlage aushalten..

Die Natur, die im Sommer stets sattgrün ist, strahlt im Herbst in allen möglichen Farben.
Die Natur, die im Sommer stets sattgrün ist, strahlt im Herbst in allen möglichen Farben.

Zweiter Montag im Oktober: Tag des Sports

An diesem Tag erinnern die Japaner an den Beginn der Olympischen Sommerspiele 1964 und veranstalten überall kleinere und größere Sportfeste. Eigentlich sieht das Treiben auf den Grünflächen des Landes aber jeden Sonntag nach Bundesjugendspielen aus.

Auf den Wiesen am Tamagawa ist jeden Sonntag Sportfest.
Auf den Wiesen am Tamagawa ist jeden Sonntag Sportfest.

3. November: Tag der Kultur

Der Tag der Kultur war früher der Feiertag zu Ehren des Kaisers Meiji. Hirohito ist also nicht der einzige Kaiser, der mit einem Feiertag geehrt wird.

23. November: Arbeitsdank-Tag

Der “Tag des Dankes der Arbeit” sollte eigentlich selbsterklärend sein. Unverständlich bis irritierend ist hingegen, dass bei Karins Arbeitgeber selbst an diesem Tag gearbeitet wird.

Die Armee der Salary Men auf dem Weg in die Kaisha.
Die Armee der Salary Men auf dem Weg in die Kaisha.

Japanische Arbeitnehmer müssen zum Urlauben gezwungen werden

Das wären also die japanischen Feiertage. Bis jetzt, denn wenn die Japaner an der Praxis der vergangenen Jahrzehnte festhalten, kommt immer mal wieder eine Neuerfindung dazu. Weil viele Salary Men in ihrem Pflichtbewusstsein nicht einmal die wenigen tariflichen Urlaubstage nehmen, kann man sie immerhin mit den Feiertagen zur Entspannung zwingen. Für die Beschäftigten des Einzelhandels gilt das nicht, denn die Läden sind bis auf den Neujahrstag praktisch immer geöffnet.

Neuer Kaiser, neuer Jahreszählung

Kurios ist aus deutscher Sicht auch die japanische Zählung der Jahreszahlen. Diese richtet sich mal nach unserem gregorianischen Kalender, und mal nach den Kaiserkrönungen richten. Laut meinen Steuerunterlagen bin ich beispielsweise im Jahr 62 geboren und habe dann im Jahr 4 eine Beschäftigung in Japan aufgenommen. Dieses fantastische System sorgt so regelmäßig für Verwirrung von Mensch und vor allem Maschine. Zumal es natürlich nur für Datumsangaben der Vergangenheit und Gegenwart, nicht aber für die Zukunft geeignet ist.

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