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Eine halbe Stunde Freiheit

Einen Tag verspätet steht die Weiterreise nach Chongqing an. Nach acht Tagen in China sehe ich dabei die ersten Menschen, die nicht vollständig im Schutzanzug stecken.

So mühsam wie die Nachtruhe begann – den Geräuschen zufolge wurde zwischen Mitternacht und 1 Uhr das Zimmer gegenüber von mir kernsaniert, so unsanft wird sie auch vom Zimmertelefon beendet. Das Shuttle zum Flughafen sei da. Habe ich den Wecker verpasst? Nein, erst 5:50 Uhr. Ich solle mich beeilen. Innerhalb von 5 Minuten bin ich marschbereit. Natürlich dauert es dann noch eine Stunde, bis es wirklich los geht. Die Freude darüber überwiegt den Ärger über dieses unnötige Getrieze.

Der Auszug aus dem Hotel gleicht dem Weg hinein. Menschen im Ganzkörperschutzanzug weisen den Weg. Wer gedacht hat, dass der Umgang nach acht Tagen Absonderung etwas natürlicher wird, lag falsch. Dadurch dass zwischenzeitlich andere Gäste angekommen sind, drohen ja schließlich immer noch Kreuzinfektionen.

Verleihung der Entlassungsurkunde im Quarantänehotel

Mit unseren FFP2-Masken, Gesichtsschilden und Gummihandschuhen fahren wir im Bus zum Flughafen. Dort geht es über einen Seiteneingang in eine Art Mini-Terminal im Terminal. Checkin, Sicherheitskontrolle, Wartebereich, alles ist in einem Raum untergebracht. Das erinnert mich an die Flughäfen von Santa Barbara und Lake Inle.

Nach zweieinhalb Stunden, kurz bevor es Zeit fürs Boarding ist, kommt wieder ein Flughafenmitarbeiter in den Raum und fragt nach Reisenden nach Chongqing. Ich bin der Einzige, den er daraufhin im Minibus zum Flieger fährt wie sonst nur First Class Gäste. Die enge Bestuhlung der 737 holt mich allerdings schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Natürlich muss ich als Erster einsteigen und ganz hinten sitzen. Vorteilig an meiner noch nicht ganz ausgeschlossenen Viruslast ist jedoch, dass die Sitze neben und vor mir frei bleiben (müssen).

In Chongqing werde ich beim Verlassen des Flugzeugs (als letzter, mit Abstand, klar) direkt wieder von den Quarantänevollstreckern abgefangen und im Bus mitgenommen. Nur weiß man erst einmal nicht so richtig, wohin mit mir. Hier landen aktuell so gut wie keine internationalen Flüge. Entsprechend verwaist ist die Quarantäne-Rezeption. Mein chinesischer Kollege, den wir telefonisch hinzuziehen, bittet den Kollegen, mir ein schönes Quarantänehotel für die letzten drei Tage herauszusuchen. Mir empfiehlt er, „einfach den Anweisungen zu folgen“. Hat er wirklich gedacht, dass ich nach acht Tagen von diesem Vorgehen abweiche und wie Jason Bourne die Flucht antrete? Dann doch lieber drei Tage leben wie Viktor Navorski.

Während ich warte, fällt der Blick auf ein großes Wandplakat. Ab dem 1. Dezember 2019 gibt es für Transitreisende ein 144 Stunden Visum für die Verwaltungseinheit Chongqing. Soso. Eine solche Praxis wirkt gerade wirklich absurd weit entfernt. In jedem Fall ein schlechtes Timing für die damalige Aktion.

Nach zwei Stunden kommt die Bestätigung, dass es ein Hotel für mich gäbe. Und eine weitere Stunde später trifft auch die Fahrerin ein, die mich mit dem Auto in die Stadt bringt.

Mein chinesischer Kollege hat Chongqing die „vierdimensionale Stadt“ genannt. Weil sie nicht nur in die Höhe schnellt, sondern schon die Landschaft so hügelig ist, dass es überall Tunnel und Brücken bedarf, um sie zu erschließen. Angeblich gibt es sogar eine U-Bahn-Station, die im zwölften Stockwerk eines Gebäudes vorzufinden ist. Die halbstündige Fahrt vermittelt einen ersten Eindruck von alldem und macht Lust auf mehr. Oder ist es der generelle Wunsch, mal wieder rauszukommen? Selbst die halsbrecherischen Fahrmanöver der Chauffeurin machen mir gerade nichts aus. 

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