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Königsklasse im Kaiserreich

In den Herbstferien besuchten Carina und ich Karin und Michael in Japan. Ein zweiwöchiger Trip, der viele Highlights für uns bereithalten sollte. Ein besonderer Höhepunkt für mich war das Fußballspiel zwischen Kawasaki Frontale und Ulsan Hyundai – Asiatische Champions League! Für mich als Fußballliebhaber, der so manches Stadion in verschiedenen Ländern schon besucht hat, ein ganz neues Fußballerlebnis. Aber der Reihe nach.

Tickets konnte man mehr oder weniger bequem online bestellen – zumindest wenn man einen guten Browser-Übersetzer installiert hat und mehrere Kreditkarten in petto hat. Die Preise sind mit deutschen Preisen zu vergleichen. Zugeschickt bekommt man einen QR-Code mit Angaben zu Block und Sitzplatz, aus denen man zunächst nicht schlau wird (Spoiler: später auch nicht wirklich). Ab dann heißt es warten bis zum Spieltag.

Am Spieltag trafen wir uns abends mit Michael in der Nähe des Stadions, um den letzten Kilometer gemeinsam zu Fuß bestreiten zu können. Carina und ich überlegten vorher die ganze Zeit – geprägt durch die vielen Sicherheitsvorkehrungen in deutschen Stadien – ob wir unsere Rucksäcke, die wir für unseren Tagestrip durch Tokio bei uns trugen, vorher noch nach Hause bringen oder zumindest irgendwo an einer Bahnstation einschließen, um beim Stadioneinlass keine Probleme zu bekommen. Wir entschieden uns dafür, im Umfeld des Stadions nach einer geeigneten Gepäckaufbewahrung zu suchen und machten uns schließlich mit Michael auf den Weg.

Durch Kawasakis Straßen laufend und ins Gespräch vertieft türmten sich plötzlich die Flutlichtmasten des Todoroki Athletics Stadium mitten in einem Wohngebiet auf. Angekündigt hatte sich das durch die vielen lila Trikots, die wir vermehrt auf den Straßen sahen. Die Vorfreude und Spannung stiegen. Nun noch die Schlange für den richtigen Eingang finden und im besten Fall noch ein Depot für unsere Rucksäcke. Einen Eingang haben wir schnell gefunden, aber zu unserer Verwunderung konnte man diesen einfach durch Vorzeigen des Tickets passieren. Eine freundliche Begrüßung, ein kurzes Scan des QR-Codes und schon standen wir im Stadionumlauf. Keine Ordner, kein Abtasten, kein Blick in unsere Rucksäcke – es kann so einfach sein.

Bei der Suche nach unseren Plätzen konnten uns die Stadionmitarbeiter nicht so wirklich helfen – wie wir sie nachher doch gefunden haben, grenzte eher an einen Zufall, aber wir waren nun drin und sahen auf den vom Flutlicht beleuchteten Rasenplatz in einem in die Jahre gekommenen Stadion mit Laufbahn und Anlagen für Leichtathletikevents. Wir saßen schräg über den organisierten Fans, die ihr Team über 90 Minuten anfeuern sollten. Das Stadion bietet Platz für ca. 26.000 Zuschauer – knapp 10.000 waren am Ende gekommen. Das bedeutet zwar, dass wir auf viele freie Plätze schauen sollten, der Stimmung im Stadion tat dies aber keinen Abbruch.

“Ein Vorbild an Demut, Höflichkeit, Respekt und Fairness. Beeindruckend!

Das Spiel ist schnell erzählt. Es spielte eine der besseren japanischen Mannschaften gegen eine der besseren Mannschaften aus Südkorea. Das fußballerische Niveau mit dem europäischen Niveau zu vergleichen ist schwer. Der Fußball war ansehnlich, Kawasaki Frontale hatte zur Halbzeit ein Chancenplus eine spielerische Überlegenheit zu verbuchen – es ging aber dennoch mit einem 0:0 in die Pause. Beeindruckend war der durchgehende Gesang der japanischen Fankurve.

In der Halbzeit wollten wir das Stadionbier testen. Während ich reflexartig meinen Rucksack mitnahm, ließ Michael seine Tasche auf dem Platz zurück. Er versicherte mir, dass sie auch nachher noch da liegen würde. Während ich im Stadion zu Müngersdorf wahrscheinlich nicht mal eine Packung Taschentücher liegen lassen würde, sollte Michael recht behalten. Das Bier bezahlte man an einem kleinen mobilen Bierstand und durfte sich anschließend den Becher selbst befüllen. An anderen Ständen gab es Suppen oder Churros – alles entspannt zu erwerben. Insgesamt hätte man den Eindruck bekommen können, dass wir eher auf einem Familien-Sportfest oder bei Bundesjugendspielen zu Besuch waren als bei einem Fußballspiel der Champions League.

Die zweite Halbzeit war ein Spiegelbild des ersten Durchgangs. Kawasaki Frontale gelang dann kurz vor dem Abpfiff durch einen schönen Distanzschuss noch der 1:0-Siegtreffer, was zu Jubelstürmen im Stadion sorgte. Trotz der knappen und am Ende unglücklichen Niederlage verabschiedete sich das Team aus Südkorea zuerst bei den eigenen mitgereisten Fans und begab sich dann noch auf eine Stadionrunde, um sich durch Verbeugung bei dem heimischen Publikum zu bedanken und sich zu verabschieden. Auch die Heimmannschaft verabschiedete sich von den Gästefans durch Verbeugung, ehe sie sich von den eigenen Fans feiern ließ. Szenen, die ich so noch nie in europäischen Stadien gesehen habe. Ein Vorbild an Demut, Höflichkeit, Respekt und Fairness. Beeindruckend!


Kawasaki Frontale
(Japan)
1 : 0
Ulsan Hyundai FC
(Südkorea)
Tachibanada 89′

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