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Kuckuck, hier sind wir!

Am letzten Wochenende waren wir nochmal am Strand. “Nochmal”, weil die japanische Badesaison offiziell Ende August endet und die Strandcafés vor der Taifun-Saison schon abgebaut und eingelagert wurden. Dass es nach dem elendig heißen Sommer eigentlich erst jetzt am Strand erträglich ist – geschenkt.

Als wir müde von der immer noch drückenden Hitze zu Hause ankommen, gibt es eine kleine, aber feine Überraschung im Briefkasten: Post vom Amtsgericht, für mich. Der Inhalt ist knapp, aber eindeutig. Gegen mich wurde eine Zwangsvollstreckung durchgeführt und mein Teil des Hauses in der zukünftigen Wahlheimat mit einer Zwangshypothek belegt.

Die Erholung des Strandtags ist unmittelbar dahin. Instinktiv möchte ich zum Telefon greifen – im Land der 24/7 Convenience Stores würde beim hiesigen Amtsgericht am Samstagmittag sicherlich jemand den Hörer abnehmen. In Deutschland kann man am Wochenende natürlich maximal Barbara Salesch in der Mediathek konsultieren.

Illegales Autorennen auf meinen Namen?

Also heißt es warten. Nein, eher grübeln. Wer möchte da zwingend knapp tausend Euro von mir? Es muss ziemlich sicher etwas mit dem Mietwagen zu tun haben. Mit dem sind wir im Juli quer durch die Bundesrepublik gefahren. Wenn mir dazu  etwas vorgeworfen wurde, wäre das erstmal bei dem Münchner Autoverleih mit der frechen Werbung gelandet. Die hätten dann meinen Namen genannt und hätten fortan nichts mehr mit der Sache zu tun.

Ein fast vierstelliges Bußgeld muss man sich in Deutschland allerdings hart verdienen. Bei meiner Fahrweise ist das nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Dazu reicht kein abgelaufener Verbandskasten, oder ein 130er-Tempomat durch eine der vielen Baustellen. Für eine solche Strafe muss es schon ein illegales Autorennen auf dem Ku‘damm oder eine Unfallflucht sein. Hat vielleicht der Nachmieter über alle Stränge geschlagen und die Autovermietung irrtümlich meinen Namen genannt?

Am Sonntag geht das Grübeln weiter. Eine Frage im Forum eines großen Rechtsportals hilft mir immerhin den Verlauf zu rekonstruieren: Da wir unseren Wohnsitz aufgeben mussten, gibt es keine ladungsfähige Adresse. Schreiben der Bußgeldstelle o.Ä. werden daher per Aushang „öffentlich zugestellt“. Nach Ablauf der Fristen macht die Landeshauptkasse kurzen Prozess und holt sich, was zu holen ist. Nur dass der Gerichtsvollzieher in unserem Fall nicht mit den Kuckucks-Aufklebern vorbeischaut, sondern sich vom Schreibtisch aus im Grundbuch verewigt. Dass der Eintrag nur auf meinem Anteil lastet, hat dabei nichts zu bedeuten. Forderungen an Karin und mich können genauso gut bei nur einem von uns eingetrieben werden.

Expats hassen diesen Trick

In der Mittagspause am Montag ist das unerfreuliche Schreiben aus der Heimat natürlich auch Gesprächsthema. Und es zeigt sich, dass Erfahrungen mit dem Gerichtsvollzieher unter Expats offenbar verbreitet sind. Eine fehlgeschlagene Abmeldung bei der Krankenkasse hat dem Chef ein ähnliches Erlebnis beschert wie nun uns. In meinem Fall tippt die Runde auf Steuerschulden.

Am späten Nachmittag ist es endlich soweit: Die Amtsstuben und Telefonleitungen in Deutschland öffnen. Die Dame am Amtsgericht kann mir außer einer Telefondurchwahl bei der Landeshauptkasse nichts dazu mitteilen. Der “Forderungsmanager” dort löst das Rätsel aber im Anschluss auf: 

Wir haben das nun noch etwas mehr belastete Haus Anfang 2022 gekauft. Der Grundbucheintrag dazu wurde im Juli vorgenommen. Die Rechnung dafür stellt das Amtsgericht nicht selbst aus, sondern beauftragt damit die Landeshauptkasse. Entweder hat diese den Brief mit der Rechnung nicht ordentlich verschickt, oder die Post hat ihn verschludert. Jedenfalls wurde er uns nicht wie die sonstigen Briefe an den Digitalisierungsdienst Dropscan nachgesendet. Weitere Versuche uns zu erreichen, hat die Landeshauptkasse offenbar auch nicht unternommen, sondern nach einem Jahr per Hypothek zwangsvollstreckt. Der Notar, die Vorbesitzer und die aktuellen Mieter haben ja alle möglichen Kontaktmöglichkeiten von uns. Und nicht zuletzt hat das Amtsgericht uns ja offenbar auch erreicht…

Die Zusammenfassung offenbar die ganze Ironie: Das Amtsgericht hat uns per Post mitgeteilt, das eine Zwangsvollstreckung durchgeführt wurde, weil eine Forderung des Amtsgerichts uns per Post nicht erreichte und somit auch nicht beglichen wurde. Es fühlt sich an wie die bundesrepublikanische Version des Passierschein 38A…

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