Von ZWS nach HND
Meine Reise nach Japan beginnt im Sixt-Büro nahe des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Die nette Dame bietet mir ein kostenloses Update vom reservierten Kombi auf das 400 PS SUV eines bajuwarischen Wettbewerbsbegleiters an. Als ich dankend ablehne, nimmt sie das relativ unbeeindruckt zur Kenntnis. Den jungen Mann am Nachbarschalter, der sich gerade “eine fette Karre rauslassen” will, bringt meine Entscheidung aber dermaßen aus dem Konzept, dass ich ernsthafte Sorgen habe, ihn bei der Rückreise in zwei Jahren immer noch genau dort sprachlos anzutreffen.
Am Frankfurter Airport fahre ich zielsicher ins Parkhaus des falschen Terminals und muss in der Folge leider doch mit drei Koffern umherziehen – was ich eigentlich tunlichst vermeiden wollte. Ich bin eben kein Vielflieger. Das merkt man auch an der unbeholfenen Navigation zur Business Lounge, in der ich mir ein (oder zwei) letzte deutsche Hopfengetränke genehmige.
ANA-hmlichkeiten im Flieger
Damit ich möglichst früh Kontakt mit der japanischen Kultur aufnehme, hat mich das Reisebüro auf All Nippon Airways gebucht. Schon vor dem Abflug kann ich also bei der Vorstellungsrunde mit der Flugbegleiterin mein erstes doozo yoroshiku (in etwa “es freut mich, Sie kennenzulernen”) stammeln, das ihr ein Lächeln ins Gesicht und mir ein paar Tränen ins Auge treibt. Ging es in den letzten Monaten fast täglich um die Organisation irgendwelcher Details, so bekomme ich in diesem eigentlich beiläufigen Moment plötzlich eine Ahnung davon, was für ein Projekt ich da gerade in Angriff nehme. Denn die Japaner sprechen (völlig überraschend) dreimal so schnell wie meine Sprachlehrerin und immer noch ca. doppelt so schnell wie die Begleit-CD des Lehrbuchs.
Die 13 Stunden bis Tokyo-Haneda vergehen – nun ja – wie im Flug. Der Dreamliner ist leise und begeistert mich unter Anderem mit den vielstufig abblendbaren, elektrochromen Fenstern. Und natürlich hat ANA die Boeing auch mit einer japanischen Toilette (mittleren Funktionsumfangs) ausstatten lassen. Die Turbulenz-Ankündigungen werden hier stets um den Zusatz ergänzt, dass die Sicherheit des Flugzeugs dadurch nicht beeinträchtigt wird – eine kleine Vorschau auf die Themenwoche “Schilder, Warntöne und Sicherheitshinweise”.
Zum Abendessen wähle ich mit Überzeugung das japanische Menü und genieße daraufhin Kammmuschel, Lachs, Spargeltofu (!) und andere Leckereien. Dazu gibt es Umeshu. Und Demut ob des eigenen Glücks. Auf dem Liegesitz finde ich danach sogar fünf bis sechs Stunden Schlaf. Und so habe ich dann auch keine Gelegenheit mehr, mir mitten in der Nacht das “assorted Sushi” zu bestellen, das ANA für Rastlose stets bereithält. Ein weiteres japanisches Kulturmerkmal lerne ich jedoch noch kennen: Pünktlichkeit. Mit nur 39 Sekunden Verspätung erreichen wir die Parkposition am Gate. Irgendetwas sagt mir, dass das kein Zufall ist.
Die ersten 24 Stunden in der neuen Heimat
Bei der Einreise in Haneda gilt es, den schon von Karin geschilderten Corona-Marathon zu absolvieren. Nach geschätzten 2 km Fußweg im Terminal gelingt die Einreise dann aber erstaunlich schnell. Innerhalb weniger Minuten halte ich meine nagelneue Resident Card und mein Gepäck in den Händen – und schließlich auch meine Frau im Arm. Das erspart mir auch die Verhandlung mit dem Taxifahrer, der mein Japanisch nicht gewachsen ist. In Hiyoshi angekommen gibt es ein Begrüßungsbier, einen kurzen Spaziergang zum Udon-Inder im nahen Einkaufszentrum und ein Bad. Und dann falle ich auch schon ins Bett.
Am nächsten Morgen steht der obligatorische Trip zum Einwohnermeldeamt auf dem Programm. Da Karin unsere Wohnung auch erst vor wenigen Tagen bezogen hat, muss sie dort auch noch hin. Gut, dann muss ich mir keine Sorgen um die Verständigung machen. Dass ich auf dem Amt doch noch etwas zu tun bekomme, liegt an der freundlichen, aber bestimmten Weigerung des Beamten, unsere internationale Eheurkunde anzuerkennen. Ungläubig lassen wir uns das auch von einer zweiten, sehr sympathischen Beamtin erklären. Das Dokument müsse zwar keine beglaubigte Übersetzung, aber eben auf Japanisch sein.
Daraufhin baue ich uns – während wir auf die Rückgabe der Ausweise warten – mit dem Google-Übersetzer auf dem Handy eine japanische Übersetzung. Das Ergebnis inkl. Hinweis zum ungelernten Urheber drucke ich schließlich in einem nahen 7-Eleven. Über das “Pigeon Japanisch” in meinem Pamphlet muss Karin schallend lachen und so befürchte ich das Schlimmste. Doch es passiert: nichts. Die Beamtin nimmt das Dokument ohne weitere Beachtung entgegen und ändert unseren Haushalt von einer WG in eine Ehe.
Yokohama Downtown
Nach diesem Abenteuer freue ich mich dann doch über etwas Sightseeing in der neuen Heimat. Vom Amt steuern wir das Yokohama City Center an. Mit dem bei der Eröffnung 1993 schnellsten Aufzug der Welt geht es zum fast 300 m hohen Observation Deck des Landmark Towers.
Einen Kaffee später erkunden wir weiter das Erdgeschoss der Stadt. Durch das Bankenviertel, das sich mit den Hochhäusern im Schachbrettraster ein bisschen wie Manhattan anfühlt, geht es – passenderweise – bis nach Chinatown. Ich habe dort zwar weder in den Tinnef-Läden noch bei den Wahrsager-Buden jemand Chinesisch sprechen gehört. Aber nach unserem authentischen Mittagessen habe ich zumindest die Hoffnung, dass in der Küche noch “die Echten” am Werk sind.