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Kan pei – Alkohol in Japan

Irgendwann vor ein paar tausend Jahren hat vermutlich das erste Mal jemand eine angefangene Flasche Punica über die Sommerferien auf der Fensterbank vergessen. Kann passieren. Damit war jedenfalls die Idee in der Welt und schon kurz darauf hatte fast jedes Land ein alkoholisches Nationalgetränk.

Sake – japanische Braukunst

Der japanische Überbegriff für alkoholische Getränke ist sake. Das Brauerei-Erzeugnis aus poliertem Reis hingegen, das man im Deutschen Sake nennt, heißt hier aber nihon shu, also “japanischer Alkohol”. Der hat zwischen 15 und 20 Prozent und wird in handlichen 1.8 Liter-Flaschen verkauft. In der Schenke bekommt man daraus in der Regel ein kleines Keramik-Fläschchen gefüllt, aus dem man dann wiederum gegenseitig (!) kleine Becher befüllt.

Das japanische Äquivalent zum Prosit heißt kanpei und bedeutet „trockenes Glas“. Wenn das Glas aber dann trocken ist, muss ein guter Gastgeber möglichst schnell nachschenken. Tut der Gast dies selbst, haben beide gegen die guten Sitten verstoßen.

Je nach Sorte wird der Sake warm, meistens aber kalt serviert. Und ähnlich wie beim Bier sind die Geschmacksrichtungen angesichts der sehr überschaubaren Zutatenliste erstaunlich vielfältig. Denn im Reiskorn schlummern ganz unterschiedliche Aromen. Je nachdem wie viel man davon vor dem Brau-Prozess wegpoliert, schmeckt der fertige Sake eher lieblich oder trocken. Auch die Art der verwendeten Hefe hat einen großen Einfluss.

In der Vielfalt des Sake kann man sich rasch verlieren. Am besten fragt man einfach den Wirt nach seiner Empfehlung (osusume) und sagt ihm, ob man es eher lieblich (nomiyasui) oder kräftig (karaguchi) mag.

Das Bier-Oligopol

Für ein Nationalgetränk hat Sake mit 4% einen ziemlich mickrigen Anteil am Alkoholkonsum. Schuld daran ist… das Bier.

In Köln bekommt man in der Kneipe ungefragt ein Bier hingestellt. In Russland gilt das gleiche für Vodka. Ganz so zuvorkommend sind die japanischen Gastronomen nicht. Aber mit einem toriaesu nama („erstmal eins vom Fass“), der üblichen Grußformel beim Betreten einer Kneipe, ist man ähnlich schnell bei der Sache.

In Japan gibt es vier große Brauereien, die sich fast den gesamten Markt aufteilen. Während der Abschottung Japans in der Edo-Zeit hatten nur die Holländer Zugang und haben sich etwas Bier für den Eigenbedarf gebraut. Nach der Öffnung gründete ein Norweger 1869 in Yokohama die Spring Valley Brauerei, die unter Anderem das Kirin Lager und das bekannte Kirin Ichiban Shibori braut.

Kurze Zeit später (oder früher, je nachdem, welche der Brauereien man fragt), entstand auf der nördlichen Insel Hokkaido die Sapporo-Brauerei. Deren bekanntestes Produkt ist das Sapporo Black Label. Zu dem Konzern gehört seit einiger Zeit auch Yebisu. Diese Brauerei aus dem gleichnamigen Stadtviertel von Shibuya in Tokyo hatte schon 1890 einen deutschen Braumeister. Und bis heute wird dort nach dem bayrischen Reinheitsgebot gebraut. Das lässt sich Yebisu zwar auch mit einem kleinen Aufpreis bezahlen. Für ein wenig Bierfolklore zahlt man den aber natürlich gerne. 

Hinter Suntory steckt ein riesiger Konzern, der von Kaffee über Softdrinks bis zum Bier wirklich alles anbietet. Davon sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen. Das Suntory Premium Malts hat völlig zurecht einen hohen Marktanteil. Nicht nur weil es das einzige Bier im Massenmarkt ist, das nach Pilsener Art gebraut wird.

Das weltweit bekannteste japanische Bier kommt aber von Asahi, ebenfalls ein Getränkeimperium. Die Marke Asahi Super Dry ist ein Lager und wird wie viele hiesigen Biere aus Malz, Hopfen sowie – Achtung! – Mais und Reis hergestellt.

Craft Beer mit Licht und Schatten

Neben den seit Jahrzehnten etablierten Marken findet man in den Getränkeregalen häufig auch Sondereditionen. Genau wie die vielen kleinen Craft Beer Brauereien sind diese häufig eine Hommage an internationale Bierspezialitäten. Das Bier aus meiner Heimat ist ziemlich oft vertreten – leider! Denn der japanische Kölsch Style… hat mit dem Original nicht viel zu tun und ist mitunter ungenießbar. Hände weg!

Britische Spezialitäten gelingen den japanischen Brauern deutlich besser: Die IPAs gibt mit einem breiten Spektrum bei der Fruchtigkeit und Bittere. Das Pale Ale Yona Yona aus Karuizawa gehört zu meinen absoluten Favoriten und ist unter Anderem in jedem Lawson Konbini zu finden.

Eine richtige Sauerei sind Happooshu und “New Style” bzw. „Free Style“. Das sind Getränke mit reduziertem Malzanteil – im Zweifel bis auf 0%. Dadurch wird aber nicht nur der Steuersatz, sondern auch der Geschmack verringert.

Wein – eine Nische für Mutige

Im Gegensatz zum Bier ist das Thema Wein in Japan ungleich schwieriger. Im Land selbst wird so gut wie gar kein Wein hergestellt. Und ansonsten landet hier offenbar hauptsächlich die Ware, welche die westlichen Weingroßhändler ablehnen. Mit viel Glück kann man zwar einen guten und erschwinglichen Wein finden. Die Wahrscheinlichkeit ist aber höher, dass man selbst für viel Geld fragwürdiges Material bekommt.

Japanische Whiskeys – Qualität und Quantität

Dann doch lieber einen Highball bzw. Haibooru – Hochprozentiges gestreckt mit Sprudel. Letzteres ist in Japan äußerst populär. Die dafür verwendeten Whiskeys gehören meistens zu den Massenprodukten: Den Nikka Black gibt es im Supermarkt schon für ca. 25 Euro – in der 4-Liter-Flasche wohlgemerkt. Der günstigste Suntory ist nur unwesentlich teurer.

Interessanterweise produzieren die beiden großen Destillerien neben dieser Industrieware auch international geschätzte Tropfen für mehrere Hundert Euro die Flasche – so man denn eine ergattert. Dabei greifen sie auf mittlerweile rund hundert Jahre Erfahrung zurück.

Die Trinksitten

Dass die Ostasiaten nichts vertragen, stimmt nicht. Sie haben im Gegenteil jede Menge Gelegenheit zum Trainieren: Beim Nomikai, dem „Stammtisch“, ziehen die Kolleginnen und Kollegen nach Feierabend in die Kneipe. Dort gibt es für einen Fixpreis von meist rund 25 Euro mehrere Gerichte und Snacks sowie zweieinhalb Stunden Bier und Highball – so viel wie geht.

Und dann geht meistens reichlich, inklusive eines Schlussspurts durch geschickte Doppel-Bestellung, sobald der Kellner die “last order” verkündet. Mitunter zieht die Truppe danach noch in einen Karaoke-Palast weiter. In jedem Fall löst sich das Ganze aber auf, sobald die letzte Bahn naht.

Diese gleicht dann am späten Abend oft einer rollenden Ausnüchterungszelle. Darin schlummern die anzugtragenden Schnapsleichen aber stets ganz friedlich und schaffen es immer irgendwie nach Hause. Raufereien wie auf der deutschen Dorfkirmes habe ich in Japan noch nicht einmal im Ansatz gesehen.

In diesem Sinne, Kanpei!

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